Lieber Charles, die Digitalisierung schreitet voran, es gibt eine Fülle an neuen Entwicklungen – ich picke mir immer wieder etwas heraus und nehme das zum Anlass, Ihnen zu schreiben.
Speziell beim Thema „Künstliche Intelligenz“ (KI) tut sich sehr viel. KI-Technologien werden heutzutage erfolgreich für Spezialaufgaben eingesetzt, wie beispielsweise in der Bilderkennung.
Nun gibt es mittlerweile eine Reihe von künstlichen Intelligenzen, die das bisher dem Menschen vorbehaltene Feld der Kreativität betreten. DALL-E (das Wort mischt den Namen des Künstlers Dalí mit dem Film-Roboter WALL-E) ist ein solches System, das neue Bilder generiert, anhand einer Beschreibung, wie das Bild denn aussehen soll. Neu ist nicht die Bild-Generierung (vgl. „Unterwegs im Cyber-Camper”, S. 115; Generative Adversarial Networks), sondern die Text-Eingabe, die das System interpretiert und in ein Bild verwandeln kann.
Überhaupt macht die KI bei der Textverarbeitung große Fortschritte. Übersetzungsprogramme wie DeepL sind mittlerweile fast so gut wie professionelle Übersetzer. Neuartige Chat-Bots können Dialoge so führen, dass sie für intelligent gehalten werden und sogar den Turing-Test bestehen (vgl. „Unterwegs im Cyber-Camper“ S. 424).
Das KI-Modell, das im Moment die größte Verblüffung hervorruft, ist ChatGPT. Es kann Geschichten, Songs, Hausaufgaben, Romane oder Drehbücher bis hin zu akademischen Abschlussarbeiten erzeugen. GPT bedeutet „Generative Pre-trained Transformer“.
Auf der Webseite der Betreiberfirma OpenAI kann man lesen:
„Wir haben ein Modell namens ChatGPT trainiert, das auf eine dialogische Weise interagiert. Das Dialogformat ermöglicht es ChatGPT, Folgefragen zu beantworten, Fehler zuzugeben, falsche Prämissen in Frage zu stellen und unangemessene Anfragen zurückzuweisen…“
Die Firma ist eine Mischung aus kommerziellen Unternehmen und einer Forschungseinrichtung und wird vor allem von Microsoft und Elon Musk finanziert.
Auch DALL-E wurde wurde von OpenAI entwickelt. Die Firma soll die Möglichkeiten sowie die Gefahren der KI für die Menschheit ausloten.
Lieber Charles, wie Sie wissen, ist es mein Job, Fachtexte zu übersetzen, außerdem arbeite ich als freie Softwareentwicklerin. Ob das weiterhin Tätigkeiten sind, von denen ich leben kann, ist fraglich: Mittlerweile kann ChatGPT nicht nur Texte schreiben, sondern auch programmieren.
Beginnen wir mit dem Experiment und fragen ChatGPT nach einer Geschichte, wie ich sie (als Anna) erlebt und im Buch „Unterwegs im Cyber-Camper” aufgeschrieben habe: Kannst Du mir eine Geschichte über eine digitale Nomadin erzählen, die von gefährlichen Männern verfolgt wird?
Hier ist die generierte Geschichte in voller Länge:
Es war einmal eine digitale Nomadin namens Ava, die ihr Leben damit verbrachte, durch die Welt zu reisen und von ihrem Laptop aus zu arbeiten. Ava war unabhängig und frei, und sie genoss es, immer auf Reisen zu sein und neue Orte und Kulturen kennenzulernen.
Eines Tages bemerkte Ava, dass sie von einer Gruppe gefährlicher Männer verfolgt wurde, die hinter den sensiblen Daten her waren, die sie für einen ihrer Kunden aufbewahrte. Ava wusste, dass sie schnell handeln musste, also schnappte sie sich ihren Laptop und flüchtete.
Ava reiste von Stadt zu Stadt, immer auf der Flucht vor den Männern. Sie versteckte sich in Internetcafés und an öffentlichen Plätzen, aber die Männer schienen immer einen Schritt voraus zu sein. Ava wusste, dass sie die Daten sicher verwahren musste, aber sie war verängstigt und unsicher, was sie als Nächstes tun sollte.
Eines Tages traf sie auf einen Mann namens Jake, einen ehemaligen Marine, der ihr anbot, sie zu beschützen. Ava war skeptisch, aber sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Gemeinsam mit Jake reiste sie weiter, immer auf der Flucht vor den Männern.
Mit Jakes Hilfe gelang es Ava schließlich, die Daten sicher zu übertragen und die Männer abzuschütteln. Ava war dankbar für Jakes Unterstützung und die beiden freundeten sich an, während sie zusammen weiterreisten.
Ava lernte, dass es manchmal hilfreich sein kann, eine starke Schulter zum Anlehnen zu haben, und dass Freunde aus den unerwartetsten Orten kommen können. Sie war auch dankbar dafür, dass sie ihre Freiheit bewahren und weiterhin als digitale Nomadin leben konnte.
Was sagat Du dazu, lieber Charles?
Eine Kritik am Programm ist die soziale Voreingenommenheit (engl. social bias), die sich immer wieder offenbart. Das könnte damit zu tun haben, dass die Trainingsdaten zumeist englisch sind, also fehlen Quellen aus vielen anderen Kulturen, die nicht auf englisch verfügbar sind. Klar, Ava muss die Hilfe von einem Marine mit starken Schultern annehmen…
Zudem wird mir anhand der Geschichte klar, dass dieses Programm zwar einen flüssigen Text generieren kann, aber eine komplexe, kreative Story vermisse ich. Im Buch „Unterwegs im Cyber-Camper” habe ich meine Hypothese schon ausgeführt, dass die KI nichts grundlegend neues erschaffen kann, da es nur aus den Trainingsdaten neue Dinge mixen kann (vgl. Kapitel 9.2, Die Ente im chinesischen Zimmer – Die Grenzen der künstlichen Intelligenz).